Halligfahrten von Husum aus: Unterschied zwischen den Versionen
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Es hat insgesamt drei Fahrgastschiffe mit dem Namen Stadt Husum gegeben, die allesamt für den Ausflugsverkehr zu den Halligen eingesetzt wurden. | Es hat insgesamt drei Fahrgastschiffe mit dem Namen Stadt Husum gegeben, die allesamt für den Ausflugsverkehr zu den Halligen eingesetzt wurden. |
Aktuelle Version vom 5. Februar 2023, 09:12 Uhr
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Halligfahrten von Husum aus
Es hat insgesamt drei Fahrgastschiffe mit dem Namen Stadt Husum gegeben, die allesamt für den Ausflugsverkehr zu den Halligen eingesetzt wurden. Da war zunächst einmal ein Raddampfer. Die Quellen hierüber sind leider nicht eindeutig – einerseits wird behauptet, es sei der ehemalige Sylter Dampfer Vorwärts gewesen und bereits seit dem Jahr 1900 von Husum aus gefahren, andererseits soll es sich um den ehemaligen Raddampfer Westerland der Sylter Dampfschiffahrtsgesellschaft handeln, der erst 1927 durch die Stadt Husum erworben wurde, also in dem Jahr, als eine Schiffsverbindung nach Sylt durch den Bau des Hindenburgdamms überflüssig wurde. Wenn dies stimmt, dann wurde diese erste Stadt Husum im Jahr 1892 erbaut, mit 86 BRT vermessen und verfügte über eine 75 PS starke Maschine.
Im Jahr 1935 entsprach ein Raddampfer technisch nicht mehr dem neuesten Stand, so wurde er verkauft und abgebrochen, d. h. in seine Einzelteile zerlegt, die dann entsorgt und verwertet wurden. Das zweite Schiff des Namens wurde als Ersatz für den abgebrochenen Raddampfer 1937 von der Rostocker Reederei Paul Hahn erworben. Dieses war die berühmteste der drei dieses Namens. Es handelt sich hier um die liebevoll „uns ole Stadt Husum“ genannte „Dame“, die von manchem Husumer fälschlicherweise für die heutige Nordertor gehalten wurde. Das Schiff wurde entweder im Jahre 1920 von der Rostocker Neptun Werft oder 1912 von der Brandenburgischen Werbt Gebr. Wiedemann gebaut, auch hier sind die Quellen nicht eindeutig, und fuhr unter dem Namen Fritz Reuter für den Warnemünder Kapitän Voß auf der Unterwarnow, auf der Linie Rostock-Warnemünde und auf der Ostsee. Das 52 BRT große, 23,50m lange und 4,64 m breite Schiff wurde von der Husumer Motorgenossenschaft e. G. erworben und am 23. April 1937 in Stadt Husum umbenannt. Interessant ist die Unternehmensrechtsform, in der die Schiffsfahrten von Husum aus betrieben wurden. Eine Genossenschaft ist als Rechtsform für eine Reederei eher unüblich, denn eine Genossenschaft ist eine Selbsthilfeorganisation, ein Zusammenschluss von mindestens 7 Mitgliedern. Im Vordergrund steht nicht die Gewinnerzielungsabsicht der Gesellschaft selbst. Man könnte dies so interpretieren: Die Husumer Motorschiffsgenossenschaft wollte mit den angebotenen Ausflugsfahrten in die Halligwelt keinen großen Reibach machen, wie dies eine GmbH oder AG gewollt hätten, sondern sie verfolgte andere Ziele – die Versorgung der Husumer Bevölkerung und der Touristen mit einem Angebot an Halligfahrten, um die Attraktivität Husums für auswärtige Gäste durch ein seetouristisches Angebot zu erhöhen. Heute würde man sagen, die Husumer betrieben ihre Halligfahrten als Non-Profit-Organisation.
Nebenbei sei angeführt, dass in den späten 1930er Jahren nicht nur die Motorschiffsgenossenschaft mit der MS Stadt Husum, sondern auch die Neue Pellwormer Dampfschiffahrts GmbH mit ihrem Motorboot Pidder Lüng vom Husumer Hafen aus Fahrten in die Halligwelt unternahm, wie die folgende Anzeige von 1936 veranschaulicht:
In den Jahren 1940 bis 1945 hatte die deutsche Kriegsmarine die MS Stadt Husum beschlagnahmt und verwendete sie als Küstenwachboot, überwiegend an der Hafenüberwachungsstelle auf der Insel Borkum. Zum verstärkten Einsatz kam das Schiff dann aber erst nach 1944, als die deutschen Militärs auch mit einer alliierten Landung in der deutschen Buch rechnen mussten und deshalb verstärkt Verteidigungsanlagen errichtet wurden. Nach Kriegsende wurde die MS Stadt Husum dann von der Britischen Besatzungsmacht beschlagnahmt, bis sie nach Ende der Besatzungszeit im Jahr 1949 wieder zurückkehrte und dann auch die Fahrten ins Wattenmeer wieder aufnehmen konnte. Was musste ein Husumer damals empfunden haben, als es nach der bitteren und entbehrungsreichen Kriegs- und Nachkriegszeit langsam wieder bergauf ging und als sichtbares Zeichen dieser neuen Zeit auch das vertraute, von früheren Ausflugsfahrten liebgewonnen Schiff mit dem Namen der Heimatstadt wieder aus britischer „Kriegsgefangenschaft“ zurückkehrte? Vielleicht ein wenig Stolz, dass es ein Schiff mit dem Namen der Heimatstadt gewesen ist, dass eine so wechselvolle Geschichte durchlebt hatte? Nun war sie wieder zurück und mit ihr ein Stückchen Heimat.
Als sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in den 1950er Jahren allmählich verbesserten und auch die ersten Touristen wieder nach Nordfriesland kamen, wurde der Werbespruch „Husum – das Tor zur Halligwelt“ weit über die Region hinaus bekannt. (Heute lautet der Werbespruch übrigens in Anlehnung an Theodor Storm: „Husum – die bunte Stadt am Meer“).
Wenn man so will, bildete die MS Stadt Husum damals das Tor zur Halligwelt, mit dem die Stormstadt so kräftig für sich warb. Es wurden damals Fahrten zu beinahe allen nordfriesischen Halligen und Inseln mit diesem kleinen Schiff angeboten. Vor allem natürlich zu den Husum vorgelagerten kleineren Halligen Südfall und Süderoog, die die Stadt Husum auf Grund ihres geringen Tiefgangs von nur 1.10m anlaufen konnte (doch musste trotzdem „ausgebootet“ werden, da es noch keinen Anlegesteg gab!). Auch wurde die Insel Pellworm angelaufen – hier stand man in Konkurrenz zur Fährverbindung der Neuen Pellwormer Dampfschiffahrts GmbH, aber auch die weiter entfernten Halligen Hooge, Gröde und Nordstrandischmoor. Seltener ging es zu den Inseln Amrum und Föhr oder zur großen Hallig Langeneß.
Doch ab Ende der 1950er Jahre wurden die Ausflugsfahrten ab Husum verstärkt zu einem Politikum und sollten es lange bleiben, weil die Nachfrage immer mehr zurückging und der Einsatz eines eigenen Husumer Schiffes eigentlich wirtschaftlich nicht mehr zu vertreten war. Die Stadt wollte aber auf ein eigenes Fahrtenangebot als touristische Attraktion nicht verzichten. Erst ab 1962 wurden die Fahren eingestellt und die MS Stadt Husum im Binnenhafen aufgelegt, d. h. verankert, vernachlässigt, die Besatzung entlassen, so lange geparkt, bis sich ein Käufer findet. Die Husumer Motorschiffsgenossenschaft bemühte sich wohl auch intensiv um den Verkauf, doch es wollte sich kein Käufer finden. Im Jahr 1966 ist die Stadt Husum dann auf der Husumer Werft abgebrochen, d. h. verschrottet, worden und somit ein stolzes Kapitel Husumer Schifffahrtsgeschichte ein für alle Mal geschlossen worden. Von 1949 bis zu ihrer Außerdienststellung hatte die MS Stadt Husum rund 120.000 Fahrgäste befördert.
Übrigens wurde bei dem Schiff in den 1950er Jahren mehrfach der Decksaufbau und das Ruderhaus erneuert. Und hierin liegt vielleicht auch ein Grund dafür, warum die heutige Nordertor fälschlicherweise für die alte Stadt Husum gehalten wurde. Sie hätte es sein können – die Schiffe ähneln sich im Aufbau und im Ruderhaus… Und noch etwas spielte eine Rolle: Die stillgelegte MS Stadt Husum wartete vier Jahre lang vergeblich auf einen Käufer und verzierte in dieser Zeit den Husumer Binnenhafen. Das nach und nach stark heruntergekommen Wrack, das sogar am 30.04.1963 „abgesoffen“ war, lag in dieser Zeit in der Ecke des Husumer Binnenhafens, dort wo heute eine Hochwassersäule steht, und somit unweit des Liegeplatzes der MS Nordertor heute. Die Annahme liegt deshalb nahe, dass es sich bei der MS Nordertor um die modernisierte und vergrößerte MS Stadt Husum gehandelt haben könnte.
Doch die MS Nordertor ist nicht die alte MS Stadt Husum – auch wenn es natürlich schön wäre, wenn diese alte Husumerin als Schiffsrestaurant im Binnenhafen vor Anker gegangen wäre…
Seit 1962 haben die Husumer kein eigenes Schiff mehr in Fahrt gebracht. Damals hatte Kapitän August Jakobs von der Amrumer Schiffahrts AG (kurz ASAG) ausgeholfen, dessen Fahrgastschiff Hilligenlei nach der Indienststellung eines größeren Fahrgastmotorschiffs 1960 abkömmlich war. Allerdings entsprach dieses kleine Motorboot nicht den Erwartungen der Stadt und auch nicht denen der Ausflügler, die Fahrgastzahlen sanken weiter kontinuierlich. 1966 kam es sogar zu einem Streit darüber, ob nicht lieber die größere Wyker Dampfschiffs-Reederei GmbH (kurz WDR) anstelle der ASAG die Halligfahrten übernehmen sollte. Doch die ASAG behielt den Zuschlag und somit auch die finanziellen Hilfen der Stadt und des damals noch eigenständigen Kreises Husum, die teils als direkte Beteiligung an der ASAG, teils als langfristige Darlehen gewährt wurden. Dafür musste aber ein größeres Schiff eingesetzt und ein wesentlich verbessertes Angebot an Ausflugsfahrten garantiert werden. Für den Amrumverkehr der ASAG war mittlerweile eine neue Autofähre im Einsatz, so dass die hier bisher eingesetzte MS Amrum nach Husum verlegt werden und zur dritten MS Stadt Husum werden konnte. Das Schiff war 1960 auf der Büsumer Schiffswerft gebaut worden, war mit 149 BRT vermessen und konnte 250 Personen befördern. Ferner hatte es auf dem Vorderdeck zwei Stellplätze für PKW, die jetzt für die Unterbringung von Fahrrädern genutzt werden konnten.
Am 9.3.1968 wurde die ehemalige MS Amrum in MS Stadt Husum (3) umbenannt und in Husum dauerhaft stationiert. Die Taufe erfolgte übrigens durch Irmgart Schlüter, die Frau damaligen Husumer Bürgermeisters Ernst Schlüter.
Im Jahr 1972 wurde die ASAG von der WDR übernommen, doch die neue Eigentümerin des Schiffes verpflichtete sich zur Übernahme des Ausflugsangebotes, schon um die guten Beziehungen zwischen Reederei und der Stadt aufrechtzuerhalten.
Der Fahrplan aus dem Jahr 1981 weist ein umfangreiches Fahrtenangebot aus: Fahrten zu den Halligen Südfall und Süderoog, Fahrten nach Hooge und Gröde, (wobei die Rückfahrt dann über Schlüttsiel per Bus erfolgte), sehr beliebt waren damals auch die Fahren zu den Seehundsbänken, das sind die Sandbänken im Heverstrom zwischen Südfall und Pellworm, auf denen sich bei Ebbe die Seehunde tummeln und für Touristen einen unvergesslichen Anblick bilden.
Doch das Fahrgastaufkommen im Ausflugsverkehr von Husum aus blieb rückläufig und verursachte für die WDR hohe Verluste, so dass die ständige Stationierung eines Ausflugsschiffes wirtschaftlich nicht mehr zu vertreten war. Im Herbst 1983 verkaufte die WDR die Stadt Husum nach Eckernförde. Seit 1983 hat es kein in Husum stationiertes Schiff mehr gegeben und auch kein Schiff mehr mit dem Traditionsnamen Stadt Husum. Insofern bleibt das Jahr 1983 ein Wendepunkt für die Husumer Fahrgastschifffahrt. Es bleibt festzuhalten, dass es nachweislich von 1927 bis 1940 und dann von 1949 bis 1982 planmäßige Ausflugsfahrten von Husum aus gegeben hat, seit 1983 nur noch sporadische, also unregelmäßige.
Die ehemalige dritte MS Stadt Husum fährt übrigens heute noch unter dem Namen Hauke Haien für den in Husum lebenden Kapitän Bernd Diedrichsen von Schlüttsiel und Wyk aus zu den Halligen.
Nach 1983 gab es nur noch sporadische, unregelmäßige Fahrten von Husum in die Halligwelt, die von der WDR mit den Fahrgastschiffen Rüm Hart und Störtebeker durchgeführt wurden. 1988 war dabei der Tiefpunkt, mit nur noch sehr wenigen Abfahrten. Die Fahrten waren wirtschaftlich nicht rentabel und wurden von der WDR lediglich durchgeführt, um die guten Beziehungen zur Stadt Husum und dem Kreis Nordfriesland nicht zu trüben.
Erst ab 1989 gab wieder ein umfangreicheres Fahrtenangebot, nachdem die Wyker Dampfschiffs-Reederei und die Neue Pellwormer Dampfschiffahrts-Gesellschaft (kurz NPDG) die Ausflugsfahrten im Gemeinschaftsdienst anboten.
Die WDR setzte weiterhin die MS Störtebeker von Husum aus ein, die NPDG fuhr mit ihrem Fahrgastschiff Nordfriesland, übrigens ein sehr merkwürdig aussehendes Schiff. Dies Aussehen erklärt sich aus der Notwendigkeit, das Schiff bei Ebbe und bei Flut gleichermaßen betreten zu können: Bei Niedrigwasser über den Seitenausstieg unten und bei Flut über die Reling auf dem Oberdeck. Ferner hat die MS Nordfriesland durch ihre besondere Bauart einen sehr geringen Tiefgang, der es ihr als einziges Fahrgastschiff in Nordfriesland erlaubt, die Halligen Südfall und Süderoog anzulaufen. Neben den beliebten Fahrten zu diesen beiden Halligen, zu den Seehundsbänken, nach Gröde und Hooge wurden neu ins Programm aufgenommen auch Fahrten zur Insel Pellworm und Fahrten mit Wattwanderungen.
Ab 1991 übernahm die NPDG dann ohne die WDR die Ausflugsfahrten von Husum aus und führte diese bis 2009 mit einem vielfältigen Angebot unter der Regie Firma Schiffsmakler Wilhelm E. F. Schmid durch. Nach Ende der Saison 2009 wurden diese endgültig eingestellt, das MS Nordfriesland führt seitdem nur noch Ausflugsfahrten von Pellworm aus durch. Insofern bildet das Jahr 2009 einen weitere Zäsur für die Husumer Fahrgastschifffahrtsgeschichte.